Sonntag, 19. Oktober 2014

Urlaub vor der Haustür: Tour de Elbe – Teil 1

Der Freund und ich, wir machen immer komischen Urlaub. Zumindest sagte das eine gemeinsame Freundin, als sie uns zufällig an unserem ersten Urlaubstag anrief und wir erzählten, dass wir mit zwei voll bepackten Rädern gerade irgendwo hinter Hamburg sind und vorhaben die kommenden sechs Tage insgesamt ca. 360 Kilometer bis Stendal zu radeln. Immer dem Elberadweg Richtung Süden hinterher, der auf 1220 Kilometern von der Quelle in Tschechien bis zur Mündung in die Nordsee bei Cuxhaven führt.
Auch die Kollegen schauten mich mit einer Mischung aus Erstaunen, Bewunderung und Belustigung an, als ich an meinem letzten Arbeitstag von dieser Idee erzählte, die uns in spontaner Eingebung kam und die wir in nur drei Tagen vorher grob planten.

Das war eigentlich auch gar nicht so schwierig. Man sollte nur wissen, wo man in etwa hinmöchte, sollte sich darüber klar sein, wieviele Kilometer man pro Tag schafft (oder schaffen möchte) und ob man im Zelt, im Hotel oder in der Ferienwohnungen übernachten möchte. Wir haben uns für letzteres entschieden. Zum Zelten im September sind wir eindeutig zu alt.
Bei der Suche nach geeigneten Unterkünften hatten vermutlich mehr Glück als Verstand. Völlig unbedarft haben wir uns zwei Tage vor Start durch die Seite des Allgemeinen Deutschen Fahrradclub geklickt und entlang der Strecke einfach Unterkünfte gebucht, die uns augenscheinlich gefiehlen – und landeten damit immer voll ins Schwarze!

An dieser Stelle noch ein kleiner Hinweis: dieser Post wird ein bisschen länger! Nehmt euch also am besten ein bisschen Zeit, etwas zu knabbern und macht's euch gemütlich.

Tag 1 war ein neblig-trüber Septembertag: grau verhangener Himmel, mystisches Licht aber warm und bis auf einen kurzen Schauer trocken. Im Grunde also perfektes Wetter für eine Radtour! Wir starteten in Wedel, was westlich von Hamburg liegt und bekamen 10 Minuten nach Abfahrt auf dem Elbehöhenradweg bei Rissen schon den ersten spektakulären Ausblick geboten.


Elbhöhenradweg bei Hamburg-Rissen: Schon ein bisschen unheimlich, wenn sich vor einem aus der Nebelsuppe plötzlich ein Mega-Containerschiff die Elbe hochschiebt!




Wir fuhren an einem Sonntag-Morgen los. Der erste Stopp war also ganz klar der Hamburger Fischmarkt. Wir waren ungefähr gegen halb 10 dort und hatten damit zwar die Hauptzeit des Marktes verpasst, aber viele Händler waren mitten im Abbau und so konnte man noch das eine oder andere Schnäppchen ergattern. Ich meine, Hallo? Wann bekommt man schonmal superfrische Fischbrötchen für einen Euro?


Hamburger Fischmarkt am Sonntag-Morgen: Die einen räumen zusammen, die anderen nehmen die letzten Schnäppchen mit.


Neblig-trüber Ausblick vom Hamburger Fischmarkt auf den Hafen in Finkenwerder.


Ich muss aber zugeben, dass mir dieser eine letzte Abstecher in den Großstadttrubel vollkommen gereicht hat. Ich sehnte mich nach Natur, frischer Luft, Weite und Ruhe. Also nix wie raus aus der Stadt. Doch das war leichter gesagt als getan. Der Elberadweg führt nämlich quer durch Hamburg und auch wenn man das quirlige Zentrum längst hinter sich gelassen hat, ist die Stadtgrenze noch in weiter Ferne. Ich hatte wirklich lange das Gefühl, wir würden der Stadt nie so richtig entkommen – so unendlich lang zieht sich Hamburg noch mit den Stadtteilen (die einem hier draussen eher wie Dorfteile vorkommen) Spadenland, Ochsenwerder, Kirchwerder und Altengamme hin.

Hier reiht sich ein Gewächshaus an das nächste und wird nur von einigen Pferdeweiden oder Kohlfeldern unterbrochen. Und wenn man Glück hat, liegt vor einem Gewächshaus sogar Gemüse zum Verkauf aus. Das ist dann nicht etwa schlecht oder halb vergammelt. Nur ein bisschen krumm oder farblich nicht ganz in der Norm. Wir haben uns gleich mal mit Paprika, Tomaten und Auberginen eingedeckt und hatten zu dem Zeitpunkt noch nicht die leiseste Ahnung, dass daraus zwei Tage später die leckerste Gemüse-Nudel-Pfanne der Welt werden sollte – die uns, ausgehungert wie wir waren, womöglich das Leben gerettet hat.


Stolz wie Oskar vor den vollbepackten Rädern. Und nein: mir war nicht kalt mit den kurzen Hosen!


Kurzer Zwischenstopp zum Pferdenase-kraulen, Kirchwerder' Gemüse in Selbstbedienung und die ersten richtigen Steigungen im Wald hinter Krümmel.


Weiter ging es nach Geesthacht, das ziemlich unspektakulär daherkam. Bis auf eine längere Pause an einem Camper-Parkplatz hielten wir uns hier also nicht länger auf.
Kurz hinter Geesthacht, direkt an der Elbe im Wald steht das KKW Krümmel. Irgendwie gruselig, wenn man 20 Meter vor der Anlage auf dem Radweg entlangfährt, sich direkt nebenan mehrere Ausflugslokale reihen und die Menschen mit Kind und Kegel an dem schwer bewachten Stacheldrahtzaun entlangspazieren, als würde es gar nicht existieren.

Zu diesem Zeitpunkt war zumindest bei mir die Luft so langsam raus, der Zielort Lauenburg aber auch schon in greifbarer Nähe. Nur noch dieses eine Waldgebiet hinter Krümmel lag dazwischen. Und das hatte es in sich. Sowohl spektakuläre Ausblicke, herrliche Einsamkeit (die erwähnten Spaziergänger schafften es irgendwie nur bis ins Café nach Krümmel) und ein toller Wald aber auch die eine oder andere fiese Steigung und so manch steile Hänge.

Endlich am Zielort angekommen, war ich so platt, dass ich ganz kurz selbst an der Art unseres Urlaubs zweifelte. Mir tat alles weh, ich hatte einen riesengroßen Hunger und fühlte mich elendig müde!
Die erste Ferienwohnung "Vörn Dieck" in Hohnstorf war dann ein kleines Paradies für sich: ein liebevoll restaurierter kleiner Stall, der mindestens einmal nach dem letzten Elbehochwasser komplett überflutet und wieder hergestellt wurde. Leider war die Küche aber leer und wir mussten uns noch einmal aufraffen, um etwas Richtiges in Lauenburg zwischen die Zähne zu bekommen.



Das Sommerhaus "Vörn Dieck" ist so liebevoll hergerichtet, dass es fast schade war, dass wir nach nur einer Nacht schon weiterfuhren.


Und dann das! Mitten auf der Brücke über der Elbe DIESER Sonnenuntergang! Plötzlich tat mir nichts mehr weh und müde war ich auch nicht mehr! Hier und jetzt in diesem Moment war es der tollste Urlaub, den ich je gemacht hatte!


Sonnenuntergang über der Elbe bei Lauenburg. Ohne Fotofilter oder Schnick-Schnack! Versprochen!


Am nächsten Morgen begrüsste uns die Elbe genauso mystisch wie am Morgen davor mit einem zauberhaften Nebel. Außerdem: vollkommene Ruhe und die Altstadt von Lauenburg, die nur ganz langsam aufzuwachen schien. Entschleunigung deluxe!


Guten Morgen Elbe, guten Morgen Lauenburg, hallo Urlaub!


Nach der anstrengenden Hamburg-Etappe kamen der Freund und ich merklich zur Ruhe. Das Ziel von Tag 2 klang schon bei der Abfahrt verlockend: Hof Schwalbennest in Kaarßen unweit der gegenüberliegenden Elbseite von Hitzacker. Wir beschlossen auf der südlichen Elbseite weiterzufahren, wussten aber gleichzeitig auch, dass wir bis spätestens 18 Uhr Hitzacker erreichen mussten, um die letzte Fähre auf die andere Seite noch zu bekommen. Eine Brücke gab es dort weit und breit nicht.


Elbe bis zum Horizont. Und endlich auch Sonne!


Doch die Sache mit dem zügigen radeln war gar nicht so einfach bei so vielen tollen Ausblicken! Die Elbe hinter Lauenburg ist immernoch sehr breit, aber im Großen und Ganzen unbefahren. Überhaupt haben wir in einer Woche bis auf die regelmäßigen Fähren so gut wie keine Schiffe gesehen. Die Elbe als Handelsweg hat ausgediehnt.


Elbtalaue bei Bleckede. Die Region ist für ihre vielen Störche und Fischreiher bekannt.


In Bleckede machten wir einen kurzen Abstecher ins Biosphärum Elbtalaue und wären gerne noch länger geblieben. Neben einer schönen Ausstellung die ein bisschen an ein Mini-Naturkundemuseum erinnert und einen integrierten Aussichtsturm hat das Biosphaerum auch einen kleinen Shop. Fragt unbedingt nach den Marmeladen und Chutneys aus der Region! Das Zwiebelchutney aus einer winzigen regionalen Manufaktur ist der Knaller! Unebdingt ein Gläschen mitnehmen.

Leider mussten wir ohne die Ausstellung besucht zu haben weiter – die Fähre wartet ja leider nicht auf trödelige Radwanderer.

Und jetzt noch ein ganz, ganz wichtiger Tipp: Wenn ihr nicht ganz so fit seid oder schon ein bisschen müde, unbedingt schon die Fähre in Neu Darchau auf die andere Seite nehmen und dort weiterfahren. Der Elberadweg führt nämlich auf beiden Elbseiten entlang und hinter Neu Darchau wird es auf der südlichen Seite noch einmal richtig anstrengend. Ich gebe zu: Ich musste dreimal den Berg hochschieben! Und geflucht habe ich auch, obwohl es natürlich nichts bringt mit dem Berg, dem schotterigen Untergrund und dem schweren Gepäck zu schimpfen. Hoch muss man den Berg ja trotzdem. Die Abfahrten waren dafür umso schöner!


Die niedlichste Fähre überhaupt zwischen Hitzacker und Bitter.


Und weil wir mit meiner ganzen Schieberei dann doch ziemlich langsam unterwegs waren, bekamen wir gerade noch so um kurz vor sechs eine der letzten Überfahrten von Hitzacker nach Bitter. Die Fähre ist so winzig, dass die Fahrt schon ein bisschen romantisch ist. Nur Fußgänger und Radfahrer haben Platz – und davon nicht mal sehr viele.


Kurze Radelpause während der Überfahrt. Mein Tipp: einfach nur durchatmen und den Moment genießen!


Auf der anderen Elbseite angekommen, hat man plötzlich das Gefühl in einer anderen Welt zu sein. Statt dichter Wälder gibt es hier weite Wiesen. Statt steinigen Bergen ist hier der Elbdeich der einzige Hügel weit und breit. Und statt Kiefern und Eichen stehen an den Straßen Apfel- und Birnenbäume ohne Ende. Übrigens: auch hier lohnt es sich, die Augen offen zu halten! Direkt am Radweg auf dem Deich stand zum Beispiel ein kleiner Schrank mit allerlei Leckerein aus dem Bauerngarten: selbstgemachte Müsliriegel, Marmelade, frisch gespresster Apfel- und Birnensaft und Aprikosen zum wegnaschen. Alles gegen einen kleinen und ehrlichen Obulus!

Unser Etappenziel hieß Kaarßen und ist ein kleines verschlafenes Dorf ein wenig Abseits vom Elbdeich. Und obwohl der urige Hof Schwalbennest heißt, waren drei nicht unwesentlich große Gänse die ersten, die uns begrüßten – noch vor dem Hund "Wolf" und dem sehr netten Päärchen Marina und Uwe.


Die Dorfkirche von Kaarßen im Abendlicht. Der Ort war vor der Wende Teil des DDR-Grenzgebietes und streng bewacht. Nach 1990 wurde es in den niedersächsischen Kreis Lüchow-Dannenberg zurückeingemeindet. 


Dorfidylle und Weitblick bis zum Elbtal direkt hinter der Ferienwohnung. Und ja: Genau diese Berge im Hintergrund sind wir vorher hoch- und wieder runtergefahren!

Die Ferienwohnung war perfekt und ich kann sie absolut empfehlen! Wer Ruhe möchte, die Natur schätzt, vielleicht sogar einen kleinen "Öko-Touch" mag und dem vor allem Gastfreundschaft sehr wichtig ist, sollte einen Urlaub in Kaarßen dringend in Erwägung ziehen!
Die Wohnung war sehr gemütlich und die Küche mit allen Notwendigkeiten ausgestattet. Hier kam auch das Gemüse aus Kirchwerder zum Einsatz. Denn anders als in der ersten Ferienwohnung waren hier alle Grundnahrungsmittel wie Nudeln, Tee und Müsli vorhanden. Der Abend ging also mit Kochen und einem anschließenden Hörspiel (Bücher, Spiele und Hörspiele gibt es auch mehr als genug im Schwalbennest!) ganz entspannt zu Ende!


Ein Kleinod mitten im Elbtal: Der Hof Schwalbennest mit Kaminzimmer und einem tollen Biofrühstück!


Nach einem großartigen Bio-Frühstück fühlte ich mich am Morgen des dritten Tages schon gar nicht mehr so erschlagen wie noch einen Tag zuvor. Der Hintern tat schon gar nicht mehr weh, das Bepacken des Rades ging auch immer schneller und überhaupt freute ich mich ab jetzt jeden Tag mehr auf die kommende Strecke!


Abschied vom Schwalbennest und von "Wolf", dem wohl glücklichsten Hund der Welt.

Wir sind übrigens nicht mit einer normalen Karte unterwegs gewesen, sondern haben die komplette Tour Online geplant und per Smartphone und App immer dabei gehabt. Ganz wichtig: Ein guter externer Akku, sonst steht man nach einem halben Tag ohne Karte da!

Wenn ihr die Tour nachfahren möchtet, könnt ihr euch hier die Strecken anschauen und ebenfalls auf's Smartphone laden:
Tag 1: Wedel – Lauenburg
Tag 2: Lauenburg – Kaarßen

Und nachdem das jetzt vermutlich der längste Blogpost ist, den je jemand zu Papier, äh zum Bildschirm gebracht hat, höre ich hier erstmal auf. Freut euch auf Etappe drei und vier im nächsten Post!

Liebe Grüße
Steffi

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Post durchgelesen und was zu sagen? Prima! Dann immer her damit!